Gewalt in der Pflege: Unterschied zwischen den Versionen
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Der Begriff '''Gewalt in der [[Pflege]] '''oder''' Gewalt in Pflegebeziehungen''' wird überwiegend benutzt, wenn Pflegende (egal ob pflegende Angehörige oder professionell Pflegende) mit körperlicher Gewaltanwendung oder massivem Zwang in einer Pflegesituation etwas gegen den Willen der betroffenen Person durchsetzen (wollen). Dies sind immer kriminelle Handlungen. | Der Begriff '''Gewalt in der [[Pflege]] '''oder'''Gewalt in Pflegebeziehungen''' wird überwiegend benutzt, wenn Pflegende (egal ob pflegende Angehörige oder professionell Pflegende) mit körperlicher Gewaltanwendung oder massivem Zwang in einer Pflegesituation etwas gegen den Willen der betroffenen Person durchsetzen (wollen). Dies sind immer kriminelle Handlungen. | ||
''Gewalt in Pflegebeziehungen'' wird seit einigen Jahren als ein Ausbildungsthema in der Pflege angesprochen. Bis 1995 wurde Gewaltausübung durch professionell Pflegende allerdings eher als ein Tabuthema in Ausbildung und Fachöffentlichkeit umgangen. | ''Gewalt in Pflegebeziehungen'' wird seit einigen Jahren als ein Ausbildungsthema in der Pflege angesprochen. Bis 1995 wurde Gewaltausübung durch professionell Pflegende allerdings eher als ein Tabuthema in Ausbildung und Fachöffentlichkeit umgangen. | ||
Es ist durchaus möglich, mit einer Sensibilisierung Pflegender bereit auf erste Anzeichen von gewalttätigem Fehlverhalten für die Zukunft präventiv zu wirken. Es muss nicht erst zu einer Kette von Tötungsdelikten durch eine Einzelne (m/w) kommen, bis Kolleg(inn)en und Vorgesetzte aufmerksam werden. Seit 1995 haben mehrere Lehrbücher das Thema aufgegriffen. Es ist sinnvoll, deutlich zwischen Aggressivität und Gewaltausübung zu unterscheiden. Ebenso werden in der Pflege in bestimmten Situationen legal [[Freiheitseinschränkende Maßnahme|Zwangsmaßnahmen (Freiheitseinschränkende M.)]] durchgeführt, die hier nicht Gegenstand des Artikels sind. | Es ist durchaus möglich, mit einer Sensibilisierung Pflegender bereit auf erste Anzeichen von gewalttätigem Fehlverhalten für die Zukunft präventiv zu wirken. Es muss nicht erst zu einer Kette von Tötungsdelikten durch eine Einzelne (m/w) kommen, bis Kolleg(inn)en und Vorgesetzte aufmerksam werden. Seit 1995 haben mehrere Lehrbücher das Thema aufgegriffen. Es ist sinnvoll, deutlich zwischen Aggressivität und Gewaltausübung zu unterscheiden. Ebenso werden in der Pflege in bestimmten Situationen legal [[Freiheitseinschränkende Maßnahme|Zwangsmaßnahmen (Freiheitseinschränkende M.)]] durchgeführt, die hier nicht Gegenstand des Artikels sind. <!-- | ||
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Auch Pflegende ihrerseits werden relativ oft Opfer von gewalttätigen Patienten/Klienten. Auch dagegen sind präventive Schritte sinnvoll und möglich. | |||
== Missverständliche Benutzung des Ausdrucks Gewalt == | |||
Sehr oft wird auch dann von Gewalt in der Pflege gesprochen, wenn eigentlich von anderen Formen von konflikthafter Beziehung zwischen den Beteiligten die Rede ist. Dabei wäre es zur Klarheit sinnvoll, genau zwischen Gewaltanwendung und problemhaftem Handeln (z.B. übe Beleidigungen, Vernachlässigung) zu unterscheiden, um nicht Beteiligte fälschlich als Gewalttäter zu kriminalisieren und das Berufsfeld Pflege generell zu diskriminieren. | |||
== Pflegeskandale, Beispiele == | |||
''Pflegeskandal'' ist ein gelegentlich verwendetes Schlagwort, das in den Medienberichten für Gewalttaten oder sogar Morde aber auch für die Vernachlässigung, Misshandlung oder die wiederholte Verletzung der Berufspflichten von Pflegepersonal gegenüber Patienten bzw. pflegebedürftigen Personen benutzt wird. | |||
In Schlagzeilen von Zeitungen und Medien wird das Wort nicht einheitlich verwendet. Es kann sich dabei um Einzeltaten oder um einen wiederholt auftretenden gravierenden Mangel in einer Institution handeln. Dabei wird in vielen Artikeln damit gleichzeitig die Vorstellung verbunden, dass die jeweilige [[Institution]] nicht alles ihr Mögliche getan hat, um diese massiven Pflegefehler bzw. die Straftaten zu verhindern.<ref>So auch in einer Sammelrezension Holger Jenrich: ''Kritiker in der Kritik.'' In: Altenpflege Nr. 5/2007, S. 50–52.</ref> Es geht bei diesem Begriff also um das Zusammentreffen von individuellem und kollektivem Fehlverhalten, das in der Öffentlichkeit Zweifel auslöst, ob die pflegerische Einrichtung nicht gerade das Gegenteil der Fürsorglichkeit bewirkt, die von ihr erwartet und von ihr in der Regel auch geleistet wird. | |||
Besonders chronisch Kranke und Senioren fallen derartigen Missständen leicht zum Opfer, da sie in einem besonders ausgeprägten Abhängigkeitsverhältnis zum Pflegepersonal stehen. Wenn sie auf sich allein gestellt sind und keine Angehörige oder rechtlichen Betreuer für sie aktiv werden, könnten Vernachlässigung oder gar Straftaten ihnen gegenüber unentdeckt bleiben. Sie selbst rufen meist nicht die Polizei und klagen nur selten vor Gericht. An [[Demenz]] erkrankte Personen, die seit dem Jahr 2000 über sechzig Prozent der Bewohnerschaft von [[Pflegeheim]]en ausmachen, stehen einem eventuellen Fehlverhalten der pflegenden Institution und des Personals besonders hilflos gegenüber. Kaum ein Jahr vergeht, ohne dass nicht irgendwo im deutschen Sprachraum über mindestens einen Fall von massiven „Mängeln“ oder gar Verbrechen in einem Altenheim, einer Klinik berichtet wird.<ref>Erkens Fred (1998): Nachgefragt: Einfach einsperren? In Süddeutsche Zeitung vom 19. März 1998 (Soziologe, Leiter des Beratungsbüros Handeln statt Misshandeln in Bonn; Weitere Literatur seither bei HSM – siehe Weblinks)</ref><ref>[http://www.bagso.de/731/aktuell069.htm BAGSO-Positionspapier zu ''Gewalt gegen Ältere'' von 2002]. Bagso ist ein dt. Dachverband vieler Seniorenverbände</ref><ref>Siehe bei Literatur Eastman (Klassiker zu dem Thema; aus den USA), Fussek und Hiss</ref> Dagegen war es im September 2007 eine Ausnahme in der Presselandschaft, dass und wie über strukturelle Mängel in einer größeren Zahl von Pflegeheimen oder ambulanten Diensten berichtet und diskutiert wurde (Bericht des MDK über [[Pflegequalität]] als Auslöser). === In den Jahren 1989 bis 2000 === <!-- | |||
11 der folgenden 14 aufgezählten Skandalfälle seit 1989 führten zum Tod von Patienten. Diese Anzahl schwerster Gewaltausübung erscheint hier möglicherweise deshalb niedrig, weil Fälle mit geringerer Schädigung von der (überregionalen) Presse nicht als Skandal wahrgenommen werden. Es ist zu vermuten, aber nicht nachgewiesen, dass es im gleichen Zeitraum auch zu anderen gewaltsamen Übergriffen gekommen ist oder schwere Schädigungen aufgrund von fehlerhaftem pflegerischen Handeln eingetreten sind. Einen Beweis für oder gegen diese Annahme einer Grauzone kann aus methodischen Gründen nicht angetreten werden. | |||
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*1989: Die Verurteilung der Krankenschwester M. R. zu elf Jahren Freiheitsstrafe wegen Totschlags in fünf Fällen, fahrlässiger Tötung und Tötung auf Verlangen in je einem Fall 1989 durch das Landgericht Wuppertal. Als ihr Prozess begann, ging die Anklage davon aus, dass die Frau, die seit Oktober 1978 Krankenschwester und später Vertreterin des Oberpflegers auf der chirurgischen Intensivstation der St.-A.-Kliniken in Wuppertal gewesen war, in zwei Jahren 17 Patienten jeweils kurz nach ihrer Verlegung auf die Intensivstation getötet habe. | |||
*In Wien wurde 1991 ein Prozess gegen vier Hilfspflegerinnen (in der Presse Todesengel von Lainz genannt) mit harten Urteilen wegen vielfachen Mordes beendet. | |||
*1992 wird in Mosbach (Baden-Württemberg) ein Altenpfleger (Heimleiter) wegen körperlicher Misshandlung als vorsätzliche Körperverletzung in 15 Fällen und einer fahrlässigen Tötung mit einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Zur Anzeige kam es nicht durch Personal oder Ärzte, die Zeugen einzelner oder mehrerer Taten waren. | |||
*Im Juli 1993 wurde der Krankenpfleger W. L., der im Jahr 1990 in Gütersloh zehn alte, schwerkranke Patienten durch Luftinjektionen getötet hat, vom Landgericht Bielefeld wegen Totschlags zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. | |||
*1994 - Eine Krankenschwester hatte in einer Klinik im mittelfränkischen Treuchtlingen einer todkranken Frau ein Beruhigungsmittel gespritzt. Kurz nach der Injektion war die 85jährige gestorben. „Das Gericht hat keine Zweifel, dass die Angeklagte eine ähnliche Tat nicht mehr begehen wird“ laut Urteilsbegründung. Durch die Presse auch als Ansbacher „Todesspritzenprozess“ bezeichnet. | |||
*Ein Pfleger in einer Bundeswehrklinik in Berlin wird 1996 wegen fünffachen Totschlags an schwerst kranken Patienten angeklagt. Er gibt zunächst „eine Art Sterbehilfe“ als Motiv an. Später widerruft er sein Geständnis und wird freigesprochen. | |||
*Das Luzerner Kriminalgericht verurteilte einen 36jährigen Krankenpfleger zu lebenslänglichem Zuchthaus wegen Mordes in 22 Fällen, Mordversuchs in drei Fällen und unvollendeten Mordversuchs in zwei Fällen an demenzkranken Menschen im Alter von 66 bis 95 Jahren in Innerschweizer Pflegeheimen zwischen 1995 und 2001. Die Aufdeckung der Tat erfolgte, nachdem die Heimleitung eines Betagtenzentrums nach auffälliger Häufung von Todesfällen die Untersuchungsbehörden eingeschaltet hatte. | |||
*1999 - ein Pflegeskandal in München [http://www.csu-muenchen.de/fraktion/presse/messages/89.html Original im Archiv]</ref> | |||
=== In den Jahren 2000 - 2012 === | |||
*2001 - Ein ehemaliger Altenpfleger (O. D.) gesteht in Bremerhaven den Mord an fünf alten Frauen, um ihnen Geld zu rauben. Was sie nicht wussten: der hilfsbereit wirkende Pfleger war bereits vor längerem fristlos entlassen worden, weil er Geld unterschlagen hatte. Am 5. Juni 2001 begann die Serie von Morden. Am 14. Juni schließlich erstickte er Anneliese K., 89, und fuhr von dort direkt zur 82jährigen Martha N. Sie verliert während des Überfalls das Bewusstsein. Er raubt ihr 3.700 Mark und flieht. Sie wird kurz darauf von ihrem Sohn gefunden und kann der Polizei erklären, wer sie beraubt hat. Der Täter wird kurz darauf festgenommen. Das Landgericht Bremen verurteilte ihn zu lebenslanger Haft unter Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Die Gutachterin sieht als Hauptgrund: „Er hat die Tötung der alten Frauen als neue Erwerbsquelle für sich erkannt.“ Denn er hatte in einer Prostituierten für sich eine Bezugsperson gefunden, die er mit immer mehr Geld beeindrucken wollte.<ref>Julia Jüttner: [http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,druck-596204,00.html Der Fall Des "Oma-Mörders"– "Jungchen, nimm das Geld und geh!"] In: [[spiegel.de]] vom 15. Dezember 2008</ref> | |||
*2003 - Wegen Totschlags in einem Fall sowie versuchten Mordes mit gefährlicher Körperverletzung in sechs Fällen wird eine [[Karlsruhe]]r Altenpflegerin zu 15 Jahren Haft verurteilt. Das Landgericht sieht es als erwiesen an, dass die Verurteilte über Jahre hinweg Patientinnen im Alter zwischen 81 und 94 Jahren ohne medizinische Notwendigkeit in hohen Dosen Insulin verabreicht hat. | |||
*Im Sommer 2003 - Pflegeskandal Lainz (Nr. 2) bei Wien<ref>[http://wien.gruene.at/pflegeskandal Die Grünen Wien über den Pflegeskandal]</ref> | |||
*2004 - Das Verfahren gegen den „Krankenpfleger von [[Sonthofen]]“, Namenskürzel S. L. – 27 Jahre, begann am 6. Februar und endete am 20. November 2006 vor der 1. Großen Strafkammer am Landgericht [[Kempten (Allgäu)|Kempten]] mit einem Urteil in 1. Instanz. Es geht darin um die größte bekannt gewordene Serientötung der BRD. Aufgrund ihrer Ermittlungen wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, zwischen dem 2. Februar 2003 und dem 10. Juli 2004 insgesamt 29 Patienten – zwölf Männer und 17 Frauen im Alter zwischen 40 und 94 Jahren – in einem Krankenhaus in [[Sonthofen]] getötet zu haben. Nur für einen Teil der Tötungen liegt ein Geständnis vor. Das Landgericht Kempten hat den sogenannten ''Todespfleger'' wegen mehrfachen Mordes und Totschlags zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Das Gericht sah eine besondere Schwere der Schuld als erwiesen an. | |||
*Pflegeskandal 2004 in Schleswig-Holstein bei einem landesweit tätigen Träger, dessen Präsidium deswegen zurücktritt. „Nach den Negativ-Schlagzeilen der vergangenen Wochen sollen verschiedene Einrichtungen neue Träger erhalten.“ | |||
*Buch und Untersuchung von Karl-Heinz Beine: ''Krankentötungen in Kliniken und Heimen - Aufdecken und Verhindern.'' <!-- | |||
Artikel vom 13. 10. 2010 | |||
Mitleid war nie ein Motiv | |||
Pflegekräfte die Patienten töten | |||
Thomas Koch (Interviewer für CNE.online) | |||
Interview mit Professor Karl-Heinz Beine über sein Buch „Krankentötungen in Kliniken und Heimen - Aufdecken und Verhindern" | |||
Professor Karl-Heinz Beine | |||
Herr Professor Beine, für Ihr Buch „Krankentötungen in Kliniken und Heimen - Aufdecken und Verhindern" untersuchten Sie weltweit Fälle von Patiententötungen. | |||
Insgesamt waren es in den letzten 40 Jahren 35 Tötungsserien. 326 Menschen kamen dabei ums Leben. | |||
Welche Gemeinsamkeiten haben Sie bei der Analyse der Täterinnen und Täter festgestellt? | |||
Beine: Meistens handelte es sich um unsichere Menschen mit einem schwachen Selbstbewusstsein. Wahrscheinlich haben viele der Täter den Pflegeberuf ergriffen, um von außen mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung zu bekommen. Gesundheitsberufe genießen ja in Umfragen ein hohes Sozialprestige. Meist ziehen sich die Täter irgendwann immer stärker in die innere Emigration zurück und wollen beispielsweise nur noch Nachtdienst machen und auch private Kontakte nehmen immer mehr ab. Besonders auffällig war bei meiner Analyse, dass nahezu alle Täterinnen und Täter lange vor ihrem Tötungsdelikt von Kollegen einschlägige Spitznamen erhalten hatten. „Hexe“, „Killer Joe“ oder „Angel of Death“, sind da nur einige Beispiele. Zudem verwendeten die Täterinnen und Täter häufig eine überdurchschnittlich zynische und verrohte Sprache. | |||
Können Sie mir da ein Beispiel nennen? | |||
Beine: Ja, da gibt es viele Belege. Etwa die Äußerung von Stefan L., der 2004 als „Todespfleger von Sonthofen“ für Schlagzeilen sorgte. Über den religiösen Schmuck einer gerade von ihm getöteten Ordensschwester sagte er:„Nun hat ihr dieser Werkzeugkasten auch nicht mehr geholfen.“ Es gibt Fälle, da drohten die Täter den Patienten sogar direkt. „Du fette Kuh, Du bist auch bald kaputt“, äußerte ein verurteilter Straftäter. Das alles hat nichts mehr mit dem saloppen und häufig burschikosen Sprachgebrauch im Gesundheitswesen zu tun, der möglicherweise in bestimmten Situationen sogar entlastend sein kann. Solche Sätze zeugen von einer entwertenden, entmenschlichten Haltung gegenüber den Betroffenen, die hellhörig machen müssen. | |||
Sie haben eben von den Spitznamen berichtet, mit denen Kollegen die Täter bedachten. Auf solche Namen kommt nur jemand, der zumindest einen Verdacht hat. Hatte das in den 35 Tötungsserien, die Sie untersucht haben, jemals strafrechtliche Konsequenzen für die „Mitwisser“? | |||
Beine: Nein, so gut wie nie. Es ging hier in einigen Fällen sogar um mehr als Mitwissen. Da wäre verdeckte Komplizenschaft der treffendere Begriff. So hat eine Kollegin zu einem Täter Monate vor dessen Verhaftung gesagt: „Komm mit, der ist hier übrig.“ Oder in Wien sagte eine Kollegin zu der später verurteilten Waltraud W.: „Komm mit Traudl, vielleicht stirbt er dann früher.“ Das sind nach meiner Meinung kaum kaschierte Handlungsanweisungen. | |||
Wie sind die Taten denn überhaupt ans Licht gekommen? Waren es Kollegen, die Anzeige erstatteten oder Angehörige? | |||
Beine: Häufig waren es tatsächlich Kolleginnen oder Kollegen, die einen Verdacht äußerten und zwar überwiegend an die nächst höhere Ebene, also beispielsweise an die Stationsleitungen. Das ist ein großer Schritt für die Einzelnen, denn niemand will als Nestbeschmutzer dastehen. Schlimm ist aber, dass es allzu oft in den Kliniken interne Aufklärungsbarrieren gab. Da galt wohl das Motto: „Was nicht sein darf, das gibt es auch nicht.“ So ignorierten höhere Instanzen Beschwerden oder Verdachtsäußerungen, weil sie es für gänzlich ausgeschlossen hielten, das so etwas in ihrem eigenen Haus passieren könnte. Das ist fatal, weil derjenige, der den Verdacht äußert, realisiert, dass sein Mut nicht gewürdigt wird und die Missstände weiter hingenommen werden. Nehmen Sie das Beispiel aus Wuppertal: Hier berichtete ein Pflegender der Chefärztin über eine Kollegin, bei der er stark verdächtige Beobachtungen gemacht hatte. Die Ärztin verwies den Pflegenden aus dem Zimmer mit der Bemerkung, "ob er den Posten von Michaela R. erhaschen“ wolle, oder „sexuell bei ihr nicht angekommen“ sei. In den USA drohte eine Pflegedienstleitung Mitarbeitern mit einer Verleumdungsklage, obwohl im ganzen Team klar war, dass einer von ihnen Patienten tötete. | |||
Vor Gericht rechtfertigte sich Stefan L., der „Todespfleger aus Sonthofen“, damit, dass er aus Mitleid gehandelt habe. Ist es falsch verstandene Nächstenliebe, die diese Menschen zu einer solchen Tat motiviert oder sind hier andere Beweggründe entscheidend? | |||
Beine: Mitleid war in all diesen Tötungsserien kein Motiv! Diesen Beweggrund führen viel Angeklagte gerne während des Prozesses an, um sich so für ihr Handeln zu rechtfertigen. Für eine Tat, die auf Mitleid beruht, hätte aber zumindest eine gewisse Beziehung der Täter zu ihren Opfern bestehen müssen. Und die meisten Patienten oder Heimbewohner waren keinesfalls in einer verzweifelten oder aussichtslosen Situation. Stefan L. tötete einen Patienten, der sich darüber freute, dass er in die Pflegeeinrichtung seiner Frau verlegt wird. Eine Patientin, die damals Urlaubspläne für die Zeit nach dem Klinikaufenthalt schmiedete, gehörte ebenfalls zu seinen Opfern. Das hat gar nichts mit Mitleid zu tun. Mich ärgert es, dass die Medien diese Fälle häufig so darstellen, als handele es sich hier um besonders sensible Pflegende, die aus Nächstenliebe gehandelt hätten. Diese Täter sind nicht an einem inhumanen Medizinbetrieb gescheitert. Und es stimmt auch nicht, dass sie es tun mussten, weil sie das Leid um sie herum einfach nicht mehr ertragen konnten. Diese Umkehrlogik würde ja bedeuten, dass sie die Taten womöglich nicht begangen hätten, wenn sie nur ein wenig abgebrühter gewesen wären. Wenn aber jemand die Arbeitsbelastung nicht mehr aushält, ist die übliche Reaktion, dass er sich Hilfe holt, sich versetzen lässt oder kündigt. Aber deswegen tötet niemand. Und noch ein wichtiges Detail: keines der Opfer von Stefan L. hatte um die Tötung gebeten. | |||
1989 wurden Sie selbst hautnah mit der Thematik konfrontiert: ein Pflegender hatte Patienten getötet, die sie kannten. Wie haben Sie reagiert, als Sie davon erfuhren? | |||
Beine: Es war für mich unfassbar, eben weil ich mit diesem Täter auch zusammengearbeitet habe. Ich fragte mich, ob irgendetwas an seinem Verhalten darauf hingewiesen hätte. Aber ich kam zu keinem Ergebnis. Das war damals der Initialkick, mich intensiv mit diesem Thema zu beschäftigen. Es ging mir in meiner Forschung vor allem darum, die Rahmenbedingungen in Einrichtungen zu erfassen, in denen solche Vorfälle passiert waren. Ich wollte auch verstehen, wie es möglich ist, dass sich solche Tötungsserien teilweise über so lange Zeiträume ausdehnen. | |||
Was können Pflegende tun, um solche Entwicklungen zu verhindern? | |||
Beine: Am Wichtigsten: Wir müssen ein solches Vorkommnis auch an unserem eigenen Arbeitsplatz für möglich halten. Wir müssen gut aufeinander achten und uns unter Kollegen stützen – auch mit kritischen Rückmeldungen. Wenn Ihnen bei einer Kollegin oder einem Kollegen Veränderungen auffallen oder Ungereimtheiten zu beobachten sind, dann sprechen Sie ihn oder sie an. Sagen Sie, was Sie registriert haben, suchen Sie das Gespräch und überlegen gemeinsam, was zu tun ist. Wenn irgend möglich beziehen Sie weitere Kollegen ein. Die meisten Täter äußerten, dass sie niemals einer direkt angesprochen habe. Was auch nicht besonders verwundert. Stellen Sie sich einfach nur vor, sie arbeiten seit zehn Jahren mit einem Kollegen zusammen oder er ist ihr Vorgesetzter. Da gehört schon Mut dazu. Ein Beispiel: In der Berliner Charite hört ein Kollege von Irene B., wie diese auf der Intensivstation eine Ampulle aufknickt und eine Injektion vorbereitet. Er registriert den Alarm des Überwachungsgeräts, als der Herzschlag des Patienten aussetzt. Er weiß, dass der Patient keine zusätzlichen Medikamente erhalten soll und sieht, wie er stirbt. Wie reagiert er? Zeigt er das an? Nein, er nimmt nach Schichtende sogar die Ampulle aus dem Spritzencontainer und fährt anschließend in Urlaub. Im Prozess sagt er später sinngemäß aus, dass er sich trotz allem nicht vorstellen konnte, dass eine Kollegin so etwas tue, sie seien doch alle da, um zu helfen. | |||
Das Fazit: Um einen Kollegen mit so einem Verdacht zu konfrontieren, müssen wir erst einmal begreifen, dass es solche Fälle gegeben hat und sie generell in jeder Klinik und in jedem Heim vorkommen können. Kollegialität heißt nicht, anzunehmen, dass alle per se unfehlbar sind. Andererseits kann es auch nicht sein, dass sich alle nur noch mit Misstrauen begegnen. Wichtig ist ein bewusster und transparenter Umgang mit Kritik auf der Teamebene - aber auch darüber hinaus. Ein auffallender Medikamentenverbrauch kann beispielsweise auch ein Thema für eine Teambesprechung sein. | |||
Was sollte sich in den Kliniken ändern, um diese Verbrechen schneller aufzudecken? | |||
Beine: Die Kliniken müssen sich fragen: Bemerken wir überhaupt Auffälligkeiten bei unseren Todesfällen - vor allem, wenn sich Sterbefälle bei einzelnen Mitarbeitern häufen? Und inwieweit ist der Verbrauch an Medikamenten transparent? Die Berliner Charite hat als Reaktion auf die eben erwähnte Tötungsserie durch Irene B. das Fehlermanagementsystem CIRS (Critical Incident Reporting System) eingeführt. Der Vorteil ist, dass CIRS anonyme Meldungen zulässt. Und auf die Einträge müssen innerklinische Reaktionen folgen. Das reduziert die internen Aufklärungsbarrieren, weil nicht mehr einzelne entscheiden können oder auch entscheiden müssen, wie sie mit einer Verdachtsmeldung umgehen. Andere Systeme können dabei helfen, den Medikamentenverbrauch besser zu analysieren. Wichtig ist aber vor allem, dass keine internen Barrieren die Aufklärung der Verbrechen behindern. | |||
Natürlich sind diese Tötungsdelikte ein Supergau für jede Klinik, wenn sie ans Licht kommen. Das Verdecken verschlimmert aber den Imageschaden noch. Besonders wenn hinterher heraus kommt, dass es bereits formulierte Verdachtsmomente gab, die man einfach abgewiesen hat. Lassen Sie mich eines zum Schluss noch loswerden: Diese Taten sind Ausnahmeverbrechen, die sicherlich bei weitem nicht so häufig vorkommen wie etwa Medikamentenfehler. Aber sie können in jeder Einrichtung des Gesundheitswesen geschehen und dessen sollten sich alle bewusst sein, die in diesen Bereichen arbeiten. | |||
Herr Professor Beine, vielen Dank für das Gespräch! | |||
Das Interview wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt von CNE.online. Certified Nursing Education (CNE) ist ein multimediales Fortbildungskonzept aus dem Georg Thieme Verlag für die professionelle Gesundheits-und Krankenpflege. | |||
* 2005 - Unter dem Verdacht, sechs Patienten getötet zu haben, ist in Bonn eine unausgebildete Pflegeassistentin verhaftet worden. Die Frau war aufgefallen, weil sie in den vergangenen Monaten während ihrer Dienstzeit in einem Pflegeheim bei Bonn in vier Fällen gemeldet hatte, die Patientin sei in ihrem Beisein eines natürlichen Todes gestorben. Das Landgericht Bonn verkündete am 22. Februar 2006 das Urteil. Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil wegen vierfachen Mordes, vierfachen Totschlags und einer Tötung auf Verlangen und verhängte als Strafe lebenslängliche Haft. Die besondere Schwere der Schuld wurde festgestellt und das [[Berufsverbot]] auf Lebenszeit ausgesprochen. | |||
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*2012 - Ein noch nicht aufgeklärter Vorgang im Saarland, wo gegen zwei Pflegepersonen massive Vorwürfe erhoben werden.<ref>http://www.berliner-kurier.de/panorama/schlimmer-verdacht-altenheim-pfleger-misshandeln-senioren-zu-tode,7169224,16436346.html</ref> Nun prüft die Staatsanwaltschaft Saarbrücken, ob Todesfälle durch den Pfleger verschuldet wurden. „Der Heimträger hat selbst Anzeige erstattet“. Foto "In diesem Altenheim sollen zwei Pfleger Senioren gequält haben" so etwa titelten die Zeitungen. Das hat natürlich Folgen weit über diesen Ort hinaus.<ref>[http://www.sueddeutsche.de/panorama/2.220/misshandlungsvorwuerfe-gegen-altenpfleger-das-grauen-auf-der-sonnenschein-station-1.1389895 Missstände schon früher bekannt. Eilends hat der Träger jetzt Konsequenzen beschlossen…] bei Süddeutsche Ztg. v 21.6.12 </ref> | |||
== Theorien der Sozialwissenschaften für das "Warum ? " == | |||
Für das Verständnis, wie es zu den grässlichen Handlungen kommen konnte, werden meist Fragen nach der [[Motivation]], den Motiven der TäterInnen gestellt. Die Antworten sind meist ausgedachte, theoretische Antworten, die nicht auf der genauen Untersuchung der TätEr basieren. Dazu tragen die verschiedenen Theorien der [[Sozialwissenschaft]]en über die Entstehung der [[Aggression]] und der Gewalt bei, die in den folgenden Absätzen knapp dargestellt werden. | |||
=== Überlastungsmodell === | |||
Das Überlastungsmodell interpretiert das Fehlverhalten als Reaktion einzelner Personen auf die Pflegesituation insgesamt. Dabei treffen eigene Belastungsgrenzen psychischer oder körperlicher Art mit der Anforderung des Heims zusammen, abhängige Personen individuell mit professionellem Wissen und freundlich zu versorgen. Das soll unabhängig von der Vielzahl zu versorgender Personen geschehen. | |||
*Belastungsgrenzen körperlicher Art könnten z. B. Schlafentzug, körperliche Erschöpfung aufgrund lang anhaltender Überanstrengung ([[Stress]]) sein | |||
*Von Belastungsgrenzen psychischer Art wird gesprochen bei der Leidensfähigkeit im ständigen Umgang mit selbst unter schwersten Krankheitszuständen leidenden Personen – [[Empathie]], Mitgefühl oder Mitleid. Die ''Distanzierung'' wird auch als Reaktion auf den Verlust von Berufsidealen/Desillusionierung, Erregbarkeit/Ärger und Gereiztheit beschrieben. | |||
Die gepflegte Person wird von der Pflegeperson quasi als Ursache dieser Symptome betrachtet und im äußersten Fall Opfer von Aggressionen. | |||
=== Sucht === | |||
Misshandlungen als eine direkte Folge oder als Abreaktion von Überlastung wie auch [[Psychosomatisch]]e Erkrankungen oder [[Alkoholabusus|Alkohol]]- und [[Medikament]]enmissbrauch. Dabei ist auch zu bedenken, dass durch die weit verbreitete kleinen Betriebsgrössen in der Altenhilfe die Verbreitung gesundheitlicher [[Vorsorge]]-programme geringer ist als in großen Institutionen, in denen sich der Einsatz von [[Betriebsarzt]] oder Sozialarbeiterin mit dem Schwerpunkt [[Suchtprophylaxe]] für das Unternehmen in geringeren Personalausfallzeiten direkt lohnt. Dies gilt, obwohl z.B. die erhöhte Suchtgefährdung in den Gesundheitsberufen allgemein unbestritten ist. | |||
=== Lebensgeschichte des Täters === | |||
Entstehung von Aggressivität oder Gewalthandlungen kann als Folge aus der Lebensgeschichte einzelner Täter(innen) verstanden werden. Eigenes Erleiden von Beschimpfung oder körperlicher Misshandlung kann zur Nachahmung eines solchen Dominanzverhalten führen. Vor dem Hintergrund früherer Autoritätskonflikten kann das durchaus plausibel sein. | |||
=== Falsches berufliches Rollenverständnis === | |||
Falsches berufliches Rollenverständnis kann auch als Auslöser gelten, wenn die Einstellungen zum Pflegeberuf oder gegenüber der pflegebedürftigen Person von einem falschen Mutter-Kind-Verhältnis geprägt wurde. Auch ein Verständnis der [[Krankheit]] als "Folge individueller Schuld" kann psychologisch verheerende Auswirkungen hervorrufen. Das Opfer trägt in dieser Vorstellung dann Schuld an seiner Bestrafung durch die Pflegenden. | |||
Wenn diese Haltung von mehreren Beschäftigten oder Vorgesetzten eingenommen wird, spricht Görgen gar von einer Art krimineller Subkultur in einer Institution (Subkultur-These). Dort existiere ein stillschweigendes Übereinkommen, dass die Gewaltanwendung manchmal unumgänglich ist, und die Überzeugung, dass die Bewohner kontrolliert und wieder erzogen werden müssen. Hinweise auf Misshandlungen werden von dieser Gruppe geleugnet oder umgedeutet. | |||
=== Kontroll-Modell === | |||
Ein mehr institutionell geprägter Erklärungsansatz ist die Frage nach Aufsicht innerhalb einer Hierarchie. Fehlt über lange Phasen eine Überwachung durch Vorgesetzte lässt sich im Kontroll-Modell davon sprechen, dass die Misshandlung alter Menschen auf mangelnde formelle und informelle Kontrolle des Lebens und Arbeitens innerhalb des Heim oder auf Defizite der behördlichen Heimaufsicht (zu geringe Kontrolldichte, Vorankündigung der Heimnachschauen) zurückgeführt werden. Dies setzt allerdings ein Menschenbild voraus, das dem einzelnen Mitarbeiter kaum Handlungsverantwortung zuordnet. | |||
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=== Macht-Modell === | |||
Als Macht-Modell wird eine Misshandlung alter Menschen verstanden, bei der Machtausübung oder Machtmissbrauch in einer Pflegebeziehung im Vordergrund stehen. Sadismus wird dabei als ein Gefühl erklärt, das nicht plötzlich auftaucht, sondern langsam in einem Lebenslauf entsteht. Dies kann gerade aus einer lebenslangen Beziehungsdynamik zwischen Eltern und Kind erwachsen sein und im extremen Fall einer Rollen vom Opfer sogar stillschweigend ertragen werden, da nun quasi die gleiche Wertvorstellung auf einen selbst zutrifft. War manh früher unumschränkter Herr im Haus, kann man jetzt mit dem Verlust eigener Fähigkeiten auch den Verlust über den eigenen Tagesablauf als zwangsläufig nachvollziehen. | |||
=== Grundgedanke des Strafrechts === | |||
Auch der Grundgedanke des Strafrechts kann zutreffen: Ein Täter entschließt sich aus klarem Motiv zu einer Handlung, die für ihn einen direkten Nutzen hat, auch wenn dies dem geltenden Recht widerspricht. Eigentumsdelikte können so erklärt und verstanden werden. Aber wie sieht es in einer Tochter-Mutter-Beziehung mit all ihren Facetten aus? Der Nutzen liegt dann möglicherweise tief verborgen in einem oder mehreren Motiven, z.B. Rache für Demütigung oder Machtdemonstration. Juristisch ist das vielleicht als niederer Beweggrund einzuordnen und nicht zu entschuldigen, aber für das Verständnis, wie es dazu kam, hilfreich. | |||
=== Vermuteter Auftrag === | |||
Der Autor Beine weist darauf hin, dass Täter zum Teil das ausführen, was in ihrer Umgebung gedacht wird. Sie handeln also quasi im stillschweigenden Auftrag eines Teils der Gesellschaft. Vielleicht/wahrscheinlich nur im vermuteten Auftrag. In der Pflege ist es wichtig, solche Gedankengänge möglichst frühzeitig zu erkennen und daraus abgeleiteten Fehlhandlungen vorzubeugen, um damit die BewohnerInnen der Pflegeheime (etc.) besser zu schützen. | |||
=== Zusammenfassung zu möglichen Ursachen === | |||
Im Einzelfall werden vermutlich mehrere dieser Ansätze gleichzeitig als Erklärung der Motivation des/der TäterIn eine Rolle spielen. Vom Ergebnis her kommt es auch nicht auf eine exakte Zuordnung zu den einzelnen Theorieaspekten an. Dagegen kann die Überprüfung dieser Erklärungsmodelle bei der Vorsorge gegen Fehlverhalten einzelner oder von Mitarbeiter-Gruppen auf bisherige Lücken oder Fehler bei der Führung der Mitarbeiter(innen) hinweisen. | |||
Bei den Pflegekräften macht es auch einen Unterschied, ob sie in einer zufriedenstellenden Familiensituation leben oder nicht. Zugleich wird die Familie durch den Beruf ständig belastet. Es ist sicher ebenfalls wichtig, dass man als Pflegekraft von der Heimleitung Anerkennung erfährt. Wer sich nur als lästige Hilfskraft erfahren kann, für die viel zu viel Geld ausgegeben werden muss, kann keine menschlichen Werte schöpfen. | |||
== Verschiedene Medien == | |||
=== Zitate u.ä. Fußnoten === | |||
<references /> | |||
=== Weblinks === | |||
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{{aus Pflegewiki|Gewalt_in_Pflegebeziehungen}} | |||
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Aktuelle Version vom 4. Januar 2024, 12:01 Uhr
Der Begriff Gewalt in der Pflege oderGewalt in Pflegebeziehungen wird überwiegend benutzt, wenn Pflegende (egal ob pflegende Angehörige oder professionell Pflegende) mit körperlicher Gewaltanwendung oder massivem Zwang in einer Pflegesituation etwas gegen den Willen der betroffenen Person durchsetzen (wollen). Dies sind immer kriminelle Handlungen.
Gewalt in Pflegebeziehungen wird seit einigen Jahren als ein Ausbildungsthema in der Pflege angesprochen. Bis 1995 wurde Gewaltausübung durch professionell Pflegende allerdings eher als ein Tabuthema in Ausbildung und Fachöffentlichkeit umgangen.
Es ist durchaus möglich, mit einer Sensibilisierung Pflegender bereit auf erste Anzeichen von gewalttätigem Fehlverhalten für die Zukunft präventiv zu wirken. Es muss nicht erst zu einer Kette von Tötungsdelikten durch eine Einzelne (m/w) kommen, bis Kolleg(inn)en und Vorgesetzte aufmerksam werden. Seit 1995 haben mehrere Lehrbücher das Thema aufgegriffen. Es ist sinnvoll, deutlich zwischen Aggressivität und Gewaltausübung zu unterscheiden. Ebenso werden in der Pflege in bestimmten Situationen legal Zwangsmaßnahmen (Freiheitseinschränkende M.) durchgeführt, die hier nicht Gegenstand des Artikels sind. Auch Pflegende ihrerseits werden relativ oft Opfer von gewalttätigen Patienten/Klienten. Auch dagegen sind präventive Schritte sinnvoll und möglich.
Missverständliche Benutzung des Ausdrucks Gewalt
Sehr oft wird auch dann von Gewalt in der Pflege gesprochen, wenn eigentlich von anderen Formen von konflikthafter Beziehung zwischen den Beteiligten die Rede ist. Dabei wäre es zur Klarheit sinnvoll, genau zwischen Gewaltanwendung und problemhaftem Handeln (z.B. übe Beleidigungen, Vernachlässigung) zu unterscheiden, um nicht Beteiligte fälschlich als Gewalttäter zu kriminalisieren und das Berufsfeld Pflege generell zu diskriminieren.
Pflegeskandale, Beispiele
Pflegeskandal ist ein gelegentlich verwendetes Schlagwort, das in den Medienberichten für Gewalttaten oder sogar Morde aber auch für die Vernachlässigung, Misshandlung oder die wiederholte Verletzung der Berufspflichten von Pflegepersonal gegenüber Patienten bzw. pflegebedürftigen Personen benutzt wird.
In Schlagzeilen von Zeitungen und Medien wird das Wort nicht einheitlich verwendet. Es kann sich dabei um Einzeltaten oder um einen wiederholt auftretenden gravierenden Mangel in einer Institution handeln. Dabei wird in vielen Artikeln damit gleichzeitig die Vorstellung verbunden, dass die jeweilige Institution nicht alles ihr Mögliche getan hat, um diese massiven Pflegefehler bzw. die Straftaten zu verhindern.<ref>So auch in einer Sammelrezension Holger Jenrich: Kritiker in der Kritik. In: Altenpflege Nr. 5/2007, S. 50–52.</ref> Es geht bei diesem Begriff also um das Zusammentreffen von individuellem und kollektivem Fehlverhalten, das in der Öffentlichkeit Zweifel auslöst, ob die pflegerische Einrichtung nicht gerade das Gegenteil der Fürsorglichkeit bewirkt, die von ihr erwartet und von ihr in der Regel auch geleistet wird.
Besonders chronisch Kranke und Senioren fallen derartigen Missständen leicht zum Opfer, da sie in einem besonders ausgeprägten Abhängigkeitsverhältnis zum Pflegepersonal stehen. Wenn sie auf sich allein gestellt sind und keine Angehörige oder rechtlichen Betreuer für sie aktiv werden, könnten Vernachlässigung oder gar Straftaten ihnen gegenüber unentdeckt bleiben. Sie selbst rufen meist nicht die Polizei und klagen nur selten vor Gericht. An Demenz erkrankte Personen, die seit dem Jahr 2000 über sechzig Prozent der Bewohnerschaft von Pflegeheimen ausmachen, stehen einem eventuellen Fehlverhalten der pflegenden Institution und des Personals besonders hilflos gegenüber. Kaum ein Jahr vergeht, ohne dass nicht irgendwo im deutschen Sprachraum über mindestens einen Fall von massiven „Mängeln“ oder gar Verbrechen in einem Altenheim, einer Klinik berichtet wird.<ref>Erkens Fred (1998): Nachgefragt: Einfach einsperren? In Süddeutsche Zeitung vom 19. März 1998 (Soziologe, Leiter des Beratungsbüros Handeln statt Misshandeln in Bonn; Weitere Literatur seither bei HSM – siehe Weblinks)</ref><ref>BAGSO-Positionspapier zu Gewalt gegen Ältere von 2002. Bagso ist ein dt. Dachverband vieler Seniorenverbände</ref><ref>Siehe bei Literatur Eastman (Klassiker zu dem Thema; aus den USA), Fussek und Hiss</ref> Dagegen war es im September 2007 eine Ausnahme in der Presselandschaft, dass und wie über strukturelle Mängel in einer größeren Zahl von Pflegeheimen oder ambulanten Diensten berichtet und diskutiert wurde (Bericht des MDK über Pflegequalität als Auslöser). === In den Jahren 1989 bis 2000 ===
- 1989: Die Verurteilung der Krankenschwester M. R. zu elf Jahren Freiheitsstrafe wegen Totschlags in fünf Fällen, fahrlässiger Tötung und Tötung auf Verlangen in je einem Fall 1989 durch das Landgericht Wuppertal. Als ihr Prozess begann, ging die Anklage davon aus, dass die Frau, die seit Oktober 1978 Krankenschwester und später Vertreterin des Oberpflegers auf der chirurgischen Intensivstation der St.-A.-Kliniken in Wuppertal gewesen war, in zwei Jahren 17 Patienten jeweils kurz nach ihrer Verlegung auf die Intensivstation getötet habe.
- In Wien wurde 1991 ein Prozess gegen vier Hilfspflegerinnen (in der Presse Todesengel von Lainz genannt) mit harten Urteilen wegen vielfachen Mordes beendet.
- 1992 wird in Mosbach (Baden-Württemberg) ein Altenpfleger (Heimleiter) wegen körperlicher Misshandlung als vorsätzliche Körperverletzung in 15 Fällen und einer fahrlässigen Tötung mit einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Zur Anzeige kam es nicht durch Personal oder Ärzte, die Zeugen einzelner oder mehrerer Taten waren.
- Im Juli 1993 wurde der Krankenpfleger W. L., der im Jahr 1990 in Gütersloh zehn alte, schwerkranke Patienten durch Luftinjektionen getötet hat, vom Landgericht Bielefeld wegen Totschlags zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
- 1994 - Eine Krankenschwester hatte in einer Klinik im mittelfränkischen Treuchtlingen einer todkranken Frau ein Beruhigungsmittel gespritzt. Kurz nach der Injektion war die 85jährige gestorben. „Das Gericht hat keine Zweifel, dass die Angeklagte eine ähnliche Tat nicht mehr begehen wird“ laut Urteilsbegründung. Durch die Presse auch als Ansbacher „Todesspritzenprozess“ bezeichnet.
- Ein Pfleger in einer Bundeswehrklinik in Berlin wird 1996 wegen fünffachen Totschlags an schwerst kranken Patienten angeklagt. Er gibt zunächst „eine Art Sterbehilfe“ als Motiv an. Später widerruft er sein Geständnis und wird freigesprochen.
- Das Luzerner Kriminalgericht verurteilte einen 36jährigen Krankenpfleger zu lebenslänglichem Zuchthaus wegen Mordes in 22 Fällen, Mordversuchs in drei Fällen und unvollendeten Mordversuchs in zwei Fällen an demenzkranken Menschen im Alter von 66 bis 95 Jahren in Innerschweizer Pflegeheimen zwischen 1995 und 2001. Die Aufdeckung der Tat erfolgte, nachdem die Heimleitung eines Betagtenzentrums nach auffälliger Häufung von Todesfällen die Untersuchungsbehörden eingeschaltet hatte.
- 1999 - ein Pflegeskandal in München Original im Archiv</ref>
In den Jahren 2000 - 2012
- 2001 - Ein ehemaliger Altenpfleger (O. D.) gesteht in Bremerhaven den Mord an fünf alten Frauen, um ihnen Geld zu rauben. Was sie nicht wussten: der hilfsbereit wirkende Pfleger war bereits vor längerem fristlos entlassen worden, weil er Geld unterschlagen hatte. Am 5. Juni 2001 begann die Serie von Morden. Am 14. Juni schließlich erstickte er Anneliese K., 89, und fuhr von dort direkt zur 82jährigen Martha N. Sie verliert während des Überfalls das Bewusstsein. Er raubt ihr 3.700 Mark und flieht. Sie wird kurz darauf von ihrem Sohn gefunden und kann der Polizei erklären, wer sie beraubt hat. Der Täter wird kurz darauf festgenommen. Das Landgericht Bremen verurteilte ihn zu lebenslanger Haft unter Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Die Gutachterin sieht als Hauptgrund: „Er hat die Tötung der alten Frauen als neue Erwerbsquelle für sich erkannt.“ Denn er hatte in einer Prostituierten für sich eine Bezugsperson gefunden, die er mit immer mehr Geld beeindrucken wollte.<ref>Julia Jüttner: Der Fall Des "Oma-Mörders"– "Jungchen, nimm das Geld und geh!" In: spiegel.de vom 15. Dezember 2008</ref>
- 2003 - Wegen Totschlags in einem Fall sowie versuchten Mordes mit gefährlicher Körperverletzung in sechs Fällen wird eine Karlsruher Altenpflegerin zu 15 Jahren Haft verurteilt. Das Landgericht sieht es als erwiesen an, dass die Verurteilte über Jahre hinweg Patientinnen im Alter zwischen 81 und 94 Jahren ohne medizinische Notwendigkeit in hohen Dosen Insulin verabreicht hat.
- Im Sommer 2003 - Pflegeskandal Lainz (Nr. 2) bei Wien<ref>Die Grünen Wien über den Pflegeskandal</ref>
- 2004 - Das Verfahren gegen den „Krankenpfleger von Sonthofen“, Namenskürzel S. L. – 27 Jahre, begann am 6. Februar und endete am 20. November 2006 vor der 1. Großen Strafkammer am Landgericht Kempten mit einem Urteil in 1. Instanz. Es geht darin um die größte bekannt gewordene Serientötung der BRD. Aufgrund ihrer Ermittlungen wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, zwischen dem 2. Februar 2003 und dem 10. Juli 2004 insgesamt 29 Patienten – zwölf Männer und 17 Frauen im Alter zwischen 40 und 94 Jahren – in einem Krankenhaus in Sonthofen getötet zu haben. Nur für einen Teil der Tötungen liegt ein Geständnis vor. Das Landgericht Kempten hat den sogenannten Todespfleger wegen mehrfachen Mordes und Totschlags zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Das Gericht sah eine besondere Schwere der Schuld als erwiesen an.
- Pflegeskandal 2004 in Schleswig-Holstein bei einem landesweit tätigen Träger, dessen Präsidium deswegen zurücktritt. „Nach den Negativ-Schlagzeilen der vergangenen Wochen sollen verschiedene Einrichtungen neue Träger erhalten.“
- Buch und Untersuchung von Karl-Heinz Beine: Krankentötungen in Kliniken und Heimen - Aufdecken und Verhindern.
- 2012 - Ein noch nicht aufgeklärter Vorgang im Saarland, wo gegen zwei Pflegepersonen massive Vorwürfe erhoben werden.<ref>http://www.berliner-kurier.de/panorama/schlimmer-verdacht-altenheim-pfleger-misshandeln-senioren-zu-tode,7169224,16436346.html</ref> Nun prüft die Staatsanwaltschaft Saarbrücken, ob Todesfälle durch den Pfleger verschuldet wurden. „Der Heimträger hat selbst Anzeige erstattet“. Foto "In diesem Altenheim sollen zwei Pfleger Senioren gequält haben" so etwa titelten die Zeitungen. Das hat natürlich Folgen weit über diesen Ort hinaus.<ref>Missstände schon früher bekannt. Eilends hat der Träger jetzt Konsequenzen beschlossen… bei Süddeutsche Ztg. v 21.6.12 </ref>
Theorien der Sozialwissenschaften für das "Warum ? "
Für das Verständnis, wie es zu den grässlichen Handlungen kommen konnte, werden meist Fragen nach der Motivation, den Motiven der TäterInnen gestellt. Die Antworten sind meist ausgedachte, theoretische Antworten, die nicht auf der genauen Untersuchung der TätEr basieren. Dazu tragen die verschiedenen Theorien der Sozialwissenschaften über die Entstehung der Aggression und der Gewalt bei, die in den folgenden Absätzen knapp dargestellt werden.
Überlastungsmodell
Das Überlastungsmodell interpretiert das Fehlverhalten als Reaktion einzelner Personen auf die Pflegesituation insgesamt. Dabei treffen eigene Belastungsgrenzen psychischer oder körperlicher Art mit der Anforderung des Heims zusammen, abhängige Personen individuell mit professionellem Wissen und freundlich zu versorgen. Das soll unabhängig von der Vielzahl zu versorgender Personen geschehen.
- Belastungsgrenzen körperlicher Art könnten z. B. Schlafentzug, körperliche Erschöpfung aufgrund lang anhaltender Überanstrengung (Stress) sein
- Von Belastungsgrenzen psychischer Art wird gesprochen bei der Leidensfähigkeit im ständigen Umgang mit selbst unter schwersten Krankheitszuständen leidenden Personen – Empathie, Mitgefühl oder Mitleid. Die Distanzierung wird auch als Reaktion auf den Verlust von Berufsidealen/Desillusionierung, Erregbarkeit/Ärger und Gereiztheit beschrieben.
Die gepflegte Person wird von der Pflegeperson quasi als Ursache dieser Symptome betrachtet und im äußersten Fall Opfer von Aggressionen.
Sucht
Misshandlungen als eine direkte Folge oder als Abreaktion von Überlastung wie auch Psychosomatische Erkrankungen oder Alkohol- und Medikamentenmissbrauch. Dabei ist auch zu bedenken, dass durch die weit verbreitete kleinen Betriebsgrössen in der Altenhilfe die Verbreitung gesundheitlicher Vorsorge-programme geringer ist als in großen Institutionen, in denen sich der Einsatz von Betriebsarzt oder Sozialarbeiterin mit dem Schwerpunkt Suchtprophylaxe für das Unternehmen in geringeren Personalausfallzeiten direkt lohnt. Dies gilt, obwohl z.B. die erhöhte Suchtgefährdung in den Gesundheitsberufen allgemein unbestritten ist.
Lebensgeschichte des Täters
Entstehung von Aggressivität oder Gewalthandlungen kann als Folge aus der Lebensgeschichte einzelner Täter(innen) verstanden werden. Eigenes Erleiden von Beschimpfung oder körperlicher Misshandlung kann zur Nachahmung eines solchen Dominanzverhalten führen. Vor dem Hintergrund früherer Autoritätskonflikten kann das durchaus plausibel sein.
Falsches berufliches Rollenverständnis
Falsches berufliches Rollenverständnis kann auch als Auslöser gelten, wenn die Einstellungen zum Pflegeberuf oder gegenüber der pflegebedürftigen Person von einem falschen Mutter-Kind-Verhältnis geprägt wurde. Auch ein Verständnis der Krankheit als "Folge individueller Schuld" kann psychologisch verheerende Auswirkungen hervorrufen. Das Opfer trägt in dieser Vorstellung dann Schuld an seiner Bestrafung durch die Pflegenden.
Wenn diese Haltung von mehreren Beschäftigten oder Vorgesetzten eingenommen wird, spricht Görgen gar von einer Art krimineller Subkultur in einer Institution (Subkultur-These). Dort existiere ein stillschweigendes Übereinkommen, dass die Gewaltanwendung manchmal unumgänglich ist, und die Überzeugung, dass die Bewohner kontrolliert und wieder erzogen werden müssen. Hinweise auf Misshandlungen werden von dieser Gruppe geleugnet oder umgedeutet.
Kontroll-Modell
Ein mehr institutionell geprägter Erklärungsansatz ist die Frage nach Aufsicht innerhalb einer Hierarchie. Fehlt über lange Phasen eine Überwachung durch Vorgesetzte lässt sich im Kontroll-Modell davon sprechen, dass die Misshandlung alter Menschen auf mangelnde formelle und informelle Kontrolle des Lebens und Arbeitens innerhalb des Heim oder auf Defizite der behördlichen Heimaufsicht (zu geringe Kontrolldichte, Vorankündigung der Heimnachschauen) zurückgeführt werden. Dies setzt allerdings ein Menschenbild voraus, das dem einzelnen Mitarbeiter kaum Handlungsverantwortung zuordnet.
Macht-Modell
Als Macht-Modell wird eine Misshandlung alter Menschen verstanden, bei der Machtausübung oder Machtmissbrauch in einer Pflegebeziehung im Vordergrund stehen. Sadismus wird dabei als ein Gefühl erklärt, das nicht plötzlich auftaucht, sondern langsam in einem Lebenslauf entsteht. Dies kann gerade aus einer lebenslangen Beziehungsdynamik zwischen Eltern und Kind erwachsen sein und im extremen Fall einer Rollen vom Opfer sogar stillschweigend ertragen werden, da nun quasi die gleiche Wertvorstellung auf einen selbst zutrifft. War manh früher unumschränkter Herr im Haus, kann man jetzt mit dem Verlust eigener Fähigkeiten auch den Verlust über den eigenen Tagesablauf als zwangsläufig nachvollziehen.
Grundgedanke des Strafrechts
Auch der Grundgedanke des Strafrechts kann zutreffen: Ein Täter entschließt sich aus klarem Motiv zu einer Handlung, die für ihn einen direkten Nutzen hat, auch wenn dies dem geltenden Recht widerspricht. Eigentumsdelikte können so erklärt und verstanden werden. Aber wie sieht es in einer Tochter-Mutter-Beziehung mit all ihren Facetten aus? Der Nutzen liegt dann möglicherweise tief verborgen in einem oder mehreren Motiven, z.B. Rache für Demütigung oder Machtdemonstration. Juristisch ist das vielleicht als niederer Beweggrund einzuordnen und nicht zu entschuldigen, aber für das Verständnis, wie es dazu kam, hilfreich.
Vermuteter Auftrag
Der Autor Beine weist darauf hin, dass Täter zum Teil das ausführen, was in ihrer Umgebung gedacht wird. Sie handeln also quasi im stillschweigenden Auftrag eines Teils der Gesellschaft. Vielleicht/wahrscheinlich nur im vermuteten Auftrag. In der Pflege ist es wichtig, solche Gedankengänge möglichst frühzeitig zu erkennen und daraus abgeleiteten Fehlhandlungen vorzubeugen, um damit die BewohnerInnen der Pflegeheime (etc.) besser zu schützen.
Zusammenfassung zu möglichen Ursachen
Im Einzelfall werden vermutlich mehrere dieser Ansätze gleichzeitig als Erklärung der Motivation des/der TäterIn eine Rolle spielen. Vom Ergebnis her kommt es auch nicht auf eine exakte Zuordnung zu den einzelnen Theorieaspekten an. Dagegen kann die Überprüfung dieser Erklärungsmodelle bei der Vorsorge gegen Fehlverhalten einzelner oder von Mitarbeiter-Gruppen auf bisherige Lücken oder Fehler bei der Führung der Mitarbeiter(innen) hinweisen.
Bei den Pflegekräften macht es auch einen Unterschied, ob sie in einer zufriedenstellenden Familiensituation leben oder nicht. Zugleich wird die Familie durch den Beruf ständig belastet. Es ist sicher ebenfalls wichtig, dass man als Pflegekraft von der Heimleitung Anerkennung erfährt. Wer sich nur als lästige Hilfskraft erfahren kann, für die viel zu viel Geld ausgegeben werden muss, kann keine menschlichen Werte schöpfen.
Verschiedene Medien
Zitate u.ä. Fußnoten
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