Stockach
Stadt Stockach[Bearbeiten]
Stockach ist eine Stadt im Landkreis Konstanz im Süden Baden-Württembergs und bildet ein Mittelzentrum für die umliegenden Gemeinden. Die Stadt war in der Zeit von 1939 bis zum 1. Januar 1973 Kreisstadt des damaligen Landkreises Stockach.
Geografie[Bearbeiten]
Stockach liegt im Hegau, fünf Kilometer nordwestlich des Bodensees in einer Moränenlandschaft, auf einer Höhe von 452,8 m im Tal der Stockacher Aach bis 670.7 Meter im Stadtwald „Schnaidt“.<ref>Stockach - Das Tor zum Bodensee; Urlaubsmagazin 2015/16, Seite 43: „Zahlen und Fakten“</ref>
Geologie[Bearbeiten]
Am Abend des 28. November 1886 kam es durch eine von Südost nach Nordwest fortschreitende wellenförmige Erdbewegung in der sogenannten Stockacher Verwerfung zu einem lokalen Erdbeben. Um 22:57 Uhr riss ein erster von drei innerhalb fünf bis sechs Sekunden aufeinanderfolgenden Stößen die Bevölkerung aus dem Schlafe, diese waren im rund vier Kilometer entfernten Ort Winterspüren noch deutlich zu spüren. Diese Bruchlinie verläuft wohl parallel der Leiblachlinie nördlich an der Nellenburg vorbei nach Südwesten, überschreitet wahrscheinlich die nördliche Fortsetzung des Überlingerseetals und lässt sich dann bis in die Gegend von Steißlingen verfolgen.<ref>Vgl. Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg, Band 63, 1907, S. 168</ref><ref>Vgl. Sporadisches Erdbeben vom 28. Nov 1886 zu Stockach. In: Verhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins in Karlsruhe, Band 10, 1888, S. 121f.</ref><ref>Vgl. Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft, Band 63, 1912, S. 536</ref>
Stadtgliederung[Bearbeiten]
Die Stadt Stockach besteht aus der Kernstadt, den früher selbstständigen Gemeinden Espasingen, Hindelwangen, Hoppetenzell, Mahlspüren im Hegau, Mahlspüren im Tal, Raithaslach, Wahlwies, Winterspüren und Zizenhausen sowie 79 weiteren Dörfern, Weilern, Zinken, Höfen und Häusern.
Im Gebiet der ehemaligen Gemeinde Mahlspüren im Tal liegt die Wüstung Wolfertshausen. In Stockach aufgegangen ist die Ortschaft Rißtorf und im Gebiet der Gemeinde Stockach in den Grenzen vom 30. November 1971 liegt die abgegangene Ortschaft Brändlishofen. Im Gebiet der ehemaligen Gemeinde Wahlwies liegt die abgegangene Ortschaft Forsterhof. Im Gebiet der ehemaligen Gemeinde Winterspüren liegt der abgegangene Hof Daxberg und im Gebiet der ehemaligen Gemeinde Zizenhausen liegen die abgegangenen Ortschaften Sennhof und Sonnenbühl.<ref>Das Land Baden-Württemberg. Amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden. Band VI: Regierungsbezirk Freiburg Kohlhammer, Stuttgart 1982, ISBN 3-17-007174-2. S. 777–784</ref>
Geschichte[Bearbeiten]
Gräberfunde lassen sich aus der Hallstattzeit (700 v. Chr.), der Kelten- (4. Jahrhundert v. Chr.) und der Alemannenzeit (400 bis 800 n. Chr.) in der Vorstadt Rißtorf nachweisen. Kleinfunde belegen überdies, dass das Gebiet auch in römischer Zeit (ca. 10 v. Chr. bis 400 n. Chr.) besiedelt war. In Wahlwies konnte ein römischer Gutshof nachgewiesen werden.<ref>Jürgen Hald: Römische Siedlungsreste in der Flur „Hafenäcker“ bei Wahlwies. In: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2009, Stuttgart 2010, S. 187–189</ref>
Zwischen 750 und 1056 wurde die Nellenburg gebaut und erweitert. Neben einem älteren Dorf im Tal der Stockacher Aach an der Kreuzung zweier ehemaliger Römerstraßen gründeten Mitte des 13. Jahrhunderts die Grafen von Nellenburg auf einer geschützten Anhöhe die Stadt Stockach nach einfach gegliedertem Plan, seit 1275 bestand das Amt Stockach in der Grafschaft Nellenburg, im Jahr 1278 (wahrscheinlich) oder 1283 (belegt) erhielt Stockach das Stadtrecht, als Graf Mangold von Nellenburg einen Vertrag mit den Worten „datum et actum in civitate stoka“ unterzeichnen ließ.<ref name="725 Jahre Stockach">Matthias Biehler (bie): Ein Hauch Geschichte weht durch die Stadt. In: Südkurier vom 20. Oktober 2008</ref>
Im Jahr 1351 soll Kuony von Stocken (auch manchmal als Hans Kuony) für seinen weisen Rat bei der Schlacht am Morgarten im Jahr 1315 das Privileg eines Narrengerichtes erhalten haben. Das nicht erhaltene Privileg gilt als Ursprung des heutigen Stockacher Narrengerichtes.<ref name="725 Jahre Stockach" />
Nach dem Aussterben der dritten Linie der Grafen von Nellenburg kam Stockach mit der Landgrafschaft Nellenburg an die Freiherren von Tengen. Johannes von Nellenburg-Tengen verkaufte 1465 das Stockacher Land samt Stadt für knapp 38.000 Gulden endgültig an die Habsburger und die Grafschaft Nellenburg kam zu Österreich. Über viele hundert Jahre regierten die vorderösterreichischen Landvögte in Stockach. Mit dem damals hochverschuldeten Nellenburger haben die Stockacher bis heute wenig Mitleid. Das Haus Habsburg blieb bis 1805 Stadt- und Landesherr (Vorderösterreich).
Im Jahr 1499 zeigte sich, dass die Herrschaft der Österreicher nicht alleinige Sicherheit brachte. Im Zuge des Schweizerkriegs (auch als Schwabenkrieg bekannt) drangen die eidgenössischen Schweizer in den Hegau vor – und bis vor die Tore Stockachs.<ref name="725 Jahre Stockach" /> Es kam zur vergeblichen Belagerung Stockachs.<ref>Max Miller, Gerhard Taddey: Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, Band 6, Baden-Württemberg. 2. Auflage, 1980, ISBN 978-3-520-27602-5, S. 763.</ref> Eine Begebenheit, an die der sogenannte „Schweizer Feiertag“ als Traditionsveranstaltung heute noch erinnert.
Im Jahre 1704, während des Spanischen Erbfolgekrieges (1701–1714), ließ der bayerische Kurfürst Max Emanuel Stockach weitgehend niederbrennen. 1770 übernachtete die Habsburger Erzherzogin Marie-Antoinette auf ihrem Weg zur Hochzeit mit dem französischen Thronfolger, im habsburgischen Stockach.<ref name="725 Jahre Stockach" /> Stockach war damals Teil von Schwäbisch-Österreich und ein bedeutender Straßenknotenpunkt zwischen Ulm, Schaffhausen, Tuttlingen und Konstanz.<ref>Peter Steuer, Konrad Krimm: Vorderösterreichische Regierung und Kammer 1753–1805: Oberamt Stockach und Stadt Konstanz. Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 50/7. Verlag Kohlhammer W. Stuttgart 2008. ISBN 978-3-17-020483-6</ref> Hier kreuzten sich der Postkutschenverkehr auf der Strecke Wien-Paris/Brüssel, Stuttgart-Zürich sowie Ulm-Basel. Der gesamte Fuhrverkehr musste sich hier die Kirchhalde hochquälen, dabei entstanden häufig Schäden an den Fuhrwerken. Die ortsansässigen Handwerker, wie der hier seit 1790 ansässige Seiler, verdienten gut an dem Durchgangsverkehr.<ref name="Verkehr">Lisa-Maria Peschges: Schnaufen auf dem Weg zur Kirche. In: Südkurier vom 7. September 2012</ref>
Die turbulenten Zeiten für Stockach begannen mit der Französischen Revolution (1789 bis 1799) und mit Napoleon Bonaparte. Der Kaiser der Franzosen war ein gnadenloser Machtmensch: Im Kriegsjahr 1799 lag die Frontlinie der sich im Zweiten Koalitionskrieg bekämpfenden Österreicher unter Erzherzog Karl und Franzosen unter General Jourdan zwischen Stockach und dem Witthoh. Am 25. März 1799 kam es zur Schlacht bei Stockach und Liptingen bei der, der in Diensten der Habsburger stehende Feldmarschallleutnant, Karl Aloys Fürst zu Fürstenberg bei Liptingen gefallen ist und von seinen Soldaten zur Aufbahrung in die Stadt gebracht wurde.<ref name="725 Jahre Stockach" /> Im Zuge des Schlachtverlaufes errangen die Österreicher einen Sieg über die Franzosen. Dieses Glück währte jedoch nicht lange: Als Napoleon sich 1804 zum König von Italien krönte, kam es erneut zum Krieg mit Österreich. Die süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg und Baden schlossen sich gestärkt durch den Reichsdeputationshauptschluss Frankreich an. Im Jahr 1805 war das Ende der österreichischen Herrschaft in Süddeutschland besiegelt, Napoleon trat jetzt als Reformator Europas auf und belohnte seine Kriegspartner mit den ehemals schwäbisch-österreichischen Gebieten. Stockach fiel damals zunächst an Württemberg. Erst am 23. November 1810 wurde das Stockacher Oberamt an Baden übergeben.<ref name="100 Badische Jahre">Nadja Grintzewitsch: Stockacher waren einst stolze Schwaben. In: Südkurier vom 1. Dezember 2010</ref> Am 9. März 1848 wurde im Zuge der bürgerlich-revolutionären Erhebung zum ersten Mal in Deutschland vom Dandler-Balkon in Stockach die Deutsche Republik ausgerufen, als Joseph Fickler, der Redakteur der Konstanzer „Seeblätter“, vor 6000 begeisterten Männern aus dem ganzen Seekreis eine flammende Rede hielt. Doch wurde die revolutionäre Stimmung schon bald durch bayrische, später württembergische und preußische Truppen erstickt. Erst Ende 1851 zogen die letzten Besatzungstruppen ab.<ref name="725 Jahre Stockach" /><ref>Hans Wagner: Aus Stockachs Vergangenheit</ref>
Mitte des 19. Jahrhunderts setzte in Stockach die Industrialisierung ein, im Tal der Aach entstandenen Industriebetriebe und Stockacher Bürger bauten prächtige Häuser wie die Villa Fahr und die Villa Hablitzel, die heute im Kontrast zu den Bürgerhäusern in der Oberstadt stehen<ref name="Tag des offenen Denkmals 2011">(sw): Denkmale haben geöffnet. In: Radolfzeller Wochenblatt vom 7. September 2011</ref>: 1890 wurde eine Filiale der Trikotagenfabrik Schiesser aus Radolfzell (bis 1995) errichtet, 1892 wird Stockachs bedeutendster Industriebetrieb, die Eisengießerei Fahr, in Betrieb genommen (bis 1985).<ref>725 Jahre Stockach</ref> Des Weiteren entstanden traditionsreiche Hotels, die Bahnstrecke Radolfzell–Stockach mit dem Bahnhofsgebäude wurde 1867 eröffnet und der Straßenbau wurde vorangetrieben.<ref>Simone Ise: Prächtige Villen in der Unterstadt. In: Südkurier vom 7. September 2011</ref> So wurde 1844 der weniger stark ansteigende Stadtwall (Neue Straße) zur Straße ausgebaut.<ref name="Verkehr" /> 1913 besuchte Großherzogin Hilda von Baden Stockach.<ref name="725 Jahre Stockach" />
Im Zweiten Weltkrieg wurde Stockach am 22. und 25. Februar 1945, im Rahmen der alliierten Operation Clarion, eines gemeinsamen Unternehmens der US-amerikanischen und britischen Luftstreitkräfte, Ziel von zwei Luftangriffen. Bomber warfen an beiden Tagen über Stockach Sprengbomben ab, 24 Tote waren zu verzeichnen. Ziel der Angriffe waren das Bahnhofsareal und die Maschinenfabrik Fahr, in der Gussteile für Panzer produziert wurden.<ref>Georg Becker: Ein Splitter erinnert an die Bomben. In: Südkurier vom 25. Februar 2010</ref> Stockach wurde als erste Stadt im Bodenseegebiet am Abend des 21. April 1945 von einer motorisierten Einheit der Französischen Armee unter General Jean de Lattre de Tassigny eingenommen, woraufhin es zu Übergriffen auf die Zivilbevölkerung kam. Insgesamt kam es zu 50 bis 60 Vergewaltigungen. Am Abend des 22. April zogen die Franzosen Richtung Überlingen weiter, während Bürgermeister Adolf Wendling als Geisel zu Fuß nach Tuttlingen gebracht und Ernst Sigel als neuer Bürgermeister eingesetzt wurde. Einer aus der Radolfzeller Kaserne kommenden Gruppe der Waffen-SS gelang es am 23. April ins befreite Stockach vorzustoßen und fünf französische Soldaten zu töten. Die SS verübte außerdem ein Massaker an 20 ausländischen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen, die im Stadtgarten provisorisch beigesetzt wurden. Am 24. April rückten die französischen Truppen erneut in Stockach ein. Als Racheakt wurden zehn prominente Stockacher Männer<ref>darunter Apotheker Walter Braun, Dr. Wilhelm Heinen, Alois Lang, Hermann Muffler, Emil Neumeister und der Leiter des Finanzamts, Max Seilnacht</ref> als Geiseln genommen, welche umgehend erschossen werden sollten. Außerdem wurde gedroht, die Stadt niederzubrennen. Dem damals 36-jährigen Pfarrverweser Alois Mutz, dem neuen Bürgermeister Ernst Sigel und anderen gelang es, die Franzosen von dieser Tat abzuhalten, indem sie unter Eid erklärten, dass die Stockacher an diesen Untaten unschuldig seien.<ref>Waltraud Schwarz: Eine Stadt entgeht dem Untergang. In: Südkurier vom 7. Mai 2005</ref><ref name="Retter von Stockach">Matthias Biehler (bie): Erinnerung an den “Retter von Stockach”. In: Südkurier vom 16. August 2007</ref><ref name="Alois Mutz">Pfarrer Alois Mutz in Überlingen gestorben. In: Südkurier vom 22. November 2005</ref><ref>Hartmut Rathke: Und plötzlich stehen die Franzosen vor der Tür. In: Südkurier vom 21. April 2005</ref> Mit einem 1995 errichteten Denkmal im Stadtgarten wird an die Bemühungen von Alois Mutz und Ernst Sigel nach Kriegsende erinnert. Stockach war nach dem Krieg Teil der Französischen Besatzungszone.
An einige Opfer der nationalsozialistischen Diktatur in Stockach erinnern dreizehn in der Hauptstraße und der Tuttlinger Straße verlegte Stolpersteine.
Von 1936 bis 1972 war Stockach Kreisstadt des Landkreises Stockach. Nach der Auflösung im Zuge der Kreis- und Verwaltungsreform vom 1. Januar 1973 kam Stockach zum Landkreis Konstanz.
In den Fünfziger und Sechziger Jahren gab bis zu 1200 Schüler bzw. Studenten an der privaten Lang-Schule im Osterholz. Diese Techniker-Schule existiert heute nicht mehr.
Am 1. Oktober 2010 entging die historische Altstadt nur knapp einer Brandkatastrophe: In der Oberstadt, hier sind die Häuser größtenteils am Giebel zusammengebaut, kam es in der Kronengasse beim „Alt Stocken“ am Gustav-Hammer-Platz zu einem Großbrand.<ref>Peter Filz: Großbrand in der historischen Altstadt. In: Südkurier vom 4. Oktober 2010</ref>
Filme[Bearbeiten]
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Literatur[Bearbeiten]
- Kurt Schmid: Zizenhausen. Die jüngste Gemeinde in der Landgrafschaft Nellenburg. Stadt Stockach (Hrsg.), Primo Verlag, A. Stähle, Stockach, 2011, ISBN 978-3-00-030815-4 (Hegau-Bibliothek Band 143)
- Fredy Meyer: Wahlwies. Ein Dorf und seine Geschichte. Engen: Stähle, 1990, XIII, 509 S., ISBN 3-921413-26-5 (Hegau-Bibliothek; Band 67)
- Hartmut Rathke: Stockach im Zeitalter der Weltkriege. (= Hegau-Bibliothek; Band 123). Konstanz 2004, ISBN 3-00-014732-2
- Hans Wagner: Aus Stockachs Vergangenheit. Herausgegeben vom Verein für Geschichte des Hegaus e. V. (= Hegau-Bibliothek; Band 11). 1967 (aus diesem Buch stammen die meisten Angaben zu Geschichte und Persönlichkeiten)
Verweise und Quellen[Bearbeiten]
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