Blutritt
Blutritt
Der Blutritt ist eine Reiterprozession, die zu Ehren einer Blutreliquie stattfindet. Es gibt in mehreren Orten in Deutschland Blutritte, die Termine sind nicht einheitlich.
Blutritt in Weingarten
Der Blutritt im oberschwäbischen Weingarten ist mit bis zu 3000 Reitern die größte Reiterprozession der Welt<ref name="bab">3000 Reiter beim Blutritt am Freitag. In: Südkurier vom 11. Mai 2010</ref> zu Ehren einer Blutreliquie und findet am Freitag nach Christi Himmelfahrt, dem so genannten Blutfreitag, statt. Er wurde 1529 erstmals schriftlich erwähnt und bereits damals als Brauch von alt her bezeichnet. Traditionell dürfen nur Männer als Reiter teilnehmen.
Die Abtei Weingarten beherbergt nun mehr seit 950 Jahren eine Heilig-Blut-Reliquie: einige Tropfen Blut in einem Erdklumpen, angeblich das Blut Jesu Christi. Das Reliquar wird einmal im Jahr hervorgeholt aus seinem sicheren Tresor aus Glas und Stahl in der Weingartener Klosterkirche. Am Blutfreitag trägt ein Ordenspriester des Klosters das Reliquar durch Weingarten und das Umland. Dieser Ordenspriester ist der eigentliche Blutreiter. Er hält die Blutreliquie hoch in seiner Hand, dem Pilgervolk entgegen. Über 2.500 Reiter, organisiert in über 100 Blutreitergruppen aus der ganzen Region, reiten mit dem Blutreiter.
Der Blutritt ist religiöser und gesellschaftlicher Höhepunkt für die Stadt Weingarten und das Kloster der Benediktiner im Seitenflügel der Basilika. Von nah und fern, dem In- und Ausland strömen Pilger, Blutreiter und Neugierige am Blutfreitag in die Stadt, die an diesem Tag ganz vom Blutritt beherrscht wird.
Historische Ereignisse
Ursprung
Die Heilig-Blut-Reliquie in Weingarten enthält der Legende nach das Blut von Jesus von Nazaret. Dieser wurde um das Jahr 30 oder 31 auf dem Hügel Golgota gekreuzigt. Ein römischen Legionär, der später als Longinus bekannt wurde, stieß, um den Tod des Sohn Gottes festzustellen, seine Lanze tief in die Seite des Gekreuzigten. Dabei tropfte das Blut Jesu Christ auf das Gesicht des Legionärs - und erleutet ihn. Der Legende nach der Ursprung der heilenden Wunderwirkung des Blutes Jesu. Longinus nahm einige der Blutstropfen auf, vermischte sie mit der Erde Golgotas und verwahrte diese in einem bleiernden Kästchen. Von den Aposteln getauft, verließ er Jerusalem und fuhr mit dem Schiff ins italienische Mantua, wo er das Christentum predigte und verfolgt wurde. In Not und Bedrängnis gekommen versteckte er das Kästchen und erleidete wenig später den Märtyrertod. Dem blinden Adilbero offenbarte sich eines Tages die Stelle des Verstecks. Diese Kunde drang bis zum Kaiser von Regensburg. Kaiser, Papst und Herzog von Mantua ließen sich von Adilbero das Versteck der Reliquie zeigen. Dieser erhielt sein Augenlicht zurück. Um die Reliquie entbrannte jedoch eine blutige Auseinandersetzung. Das Streitobjekt wurde in folge dessen geteilt: Ein Stück für Papst Leo IX., eines für den Herzog von Mantua und ein drittes für Kaiser Heinrich III..<ref name="Legende">Dirk Grupe: Wie das Heilig-Blut von Golgatha nach Oberschwaben kam. In: Schwäbische Zeitung vom 12. Mai 2010</ref>
Die Legende hält einer historischen Untersuchung nicht stand, vielmehr endete die frühchristliche Verfolgung Longinus in Kappadokien. Die Reliquie und seine Gebeine kamen 553 als Gegengeschenk von Konstantinopel an die Stadt Mantua. Als Mantua 580 ein Jahr lang von den Langobarden belagert wurde, wurde die Reliquien an einem geheimen Ort verborgen und 804 wieder Aufgefundung. Papst Leo III. (795-816) und Karl der Große (768-814) ließen die Reliquie daraufhin prüfen. Die Blutreliqie wurde geteilt. Als Mantua 923 durch die Ungarn belagert wurden die Teile abermals verborgen. Der größere Teil, zusammen mit den Longinusreliquien im Garten des Andreashospitals, der kleinere Teil in der alten Kirche des Heiligen Paulus, nahe der Kathedrale (aufgefunden 1479). Am 12. März 1048 wurde der größere Teil der Blutreliquie und der Gebeine des Heilugen Longinus in Mantua gefunden. Papst Leo IX. (1049-1054) berief 1053 eine Kirchensynode nach Mantua ein und wollte die Reliquie des kostbaren Blutes nach Rom mitnehmen. Wegen des Widerstandes der Mantuaner kommt es zu einer zweiten Teilung der Heilig-Blut-Reliquie, so dass ein Teil in Mantua verbleibt, der andere nach Rom gelangt. 1055 kam Kaiser Heinrich III. (1039-1056) nach Mantua und erhält einen weiteren Teil der Blutreliquie.<ref name="Geschichte">Geschichte des Heiligen Blutes, abgerufen am 13. Mai 2010</ref>
Als der Kaiser 1056 stibt, wurde die Reliquie Graf Balduin V. von Flandern (1035-1067) als Zeichen der Versöhung vermachte. Dieser schenkte es seiner Tochter, Stieftochter oder Halbschwester (je nach Quelle) Judith (1032-1094). Sie war in zweiter Ehe Welf IV. von Altdorf, Herzog von Bayern, verheiratet. Als dieser in den Kreuzzug zog übergab sie die Blutreliquie Walicho (1088-1108), Abt des Klosters Weingarten, der Lieblingsstiftung und Grablege der Welfen.<ref name="Geschichte"/>
Die Übergabe der Reliquie datiert auf den 31. Mai 1090 bzw. den 12. März 1094.<ref name="Geschichte"/> Angeblich war der Tag der Freitag nach Christi Himmelfahrt und ist damit Ursprung des Blutfreitags und des Heilig-Blut-Ritts.
Geschichte des Blutritts
Der Blutritt war bis ins 17. Jahrhundert mit einer Grenzumgehung des Gebiets von Weingarten verbunden. Dabei zogen die Väter mit ihren volljährig gewordenen Söhnen und erteilten ihnen an markanten Punkten Ohrfeigen als Gedächtnisstärkung.<ref name="Legende"/>
Ablauf
Zum Auftakt des Blutrittes nehmen am Abend von Christi Himmelfahrt bereits Tausende von Pilgern an einer Lichterprozession von der Basilika St. Martin zum Kreuzberg (seit 1890) teil. Am Blutfreitag selbst beginnt dann ab ca. 6 Uhr morgens die Reitermesse in der Basilika und gegen 7 Uhr der Blutritt, an dem rund 3.000 Reiter in Frack und Zylinder sowie zahlreiche Musikkapellen teilnehmen. Das Heilig-Blut, eingearbeitet in ein mit Edelsteinen besetztes Kreuz, wird vom Heilig-Blut-Reiter mitgeführt, der den Segen des Heiligen Blutes für Haus, Hof und Felder spendet. Die Reliquie ist durch eine Kette mit drei Ringen gesichert, falls das Pferd einmal aufbäumt und den Reiter abwirft. Nach rund fünf Stunden kehrt die Kostbarkeit wieder an der Basilika zurück und wird wie jeden Abend in einem Tresor schützend verwahrt. Der Blutritt in Weingarten wird an den Straßen der Stadt jährlich von über 30.000 Pilgern und Zuschauern verfolgt.
Altäre
Die Reiter vom Heiligen Blut steuern vier Altäre an. Einer davon liegt außerhalb der Gemarkung Weingartens in der Gemeinde Baienfurt:
- 1. Altar - Thumbstraße 48 im Pfarrgebiet St. Maria, Weingarten
- 2. Altar - Galgenkreuz an der Straße nach Ettishofen im Pfarrgebiet Heilig Geist, Weingarten
- 3. Altar - Hof an der Straße nach Mochenwangen im Pfarrgebiet Baienfurt
- 4. Altar - Baienfurter Straße beim Missionskreuz im Pfarrgebiet St. Martin, Weingarten
Film „Die Blutritter“
Der Regisseur Douglas Wolfsperger drehte 2003 mit Die Blutritter einen Dokumentationsfilm über den Blutritt in Weingarten. Der Film wurde im Sommer 2004 bei den Internationalen Filmfestspielen in Locarno uraufgeführt.
Quellen
<references/>
Literatur
- Hermann Dettmer (Hrsg.): Zu Fuß, zu Pferd … Wallfahrten im Kreis Ravensburg. Biberacher Verlagsdruckerei, Biberach/Riß 1990, ISBN 3-924489-55-6
- Paul Kopf: Der Blutfreitag in Weingarten. Zeugnis in Bedrängnis und Not. 1933–1949. Süddeutsche Verlags-Gesellschaft, Ulm 1990, ISBN 3-88294-145-6
- Norbert Kruse, Hans Ulrich Rudolf: 900 Jahre Heilig-Blut-Verehrung in Weingarten 1094–1994. 3 Bände. Thorbecke, Sigmaringen 1994, ISBN 3-7995-0398-6